Schmerzen am Sprunggelenk nicht unterschätzen
Die richtige Therapie schützt vor Instabilität nach Bänderriss
In Deutschland knicken täglich etwa 10.000 Menschen mit dem Sprunggelenk um. Statistisch ist das Umknicktrauma des Sprunggelenkes die häufigste Sportverletzung. Im Regelfall ist eine konservative Therapie erfolgreich. Allerdings entwickelt fast die Hälfte der Patienten lang anhaltende Beschwerden im Sprunggelenk in Form von Schmerzen und Instabilitäten. Dr. Tomas Buchhorn vom sporthopaedicum erklärt im Interview, weshalb Verletzungen am Sprunggelenk nicht unterschätzt werden dürfen.
Jeder Mensch macht im Verlauf seines Lebens Erfahrung mit Fuß-, Fersen- oder Sprunggelenksschmerzen. Verletzungen am Sprunggelenk werden aber oft als Lappalie abgetan. Herr Dr. Buchhorn, warum
ist die volle Funktionsfähigkeit des Sprunggelenks aber so wichtig?
Das Sprunggelenk erfüllt wichtige Funktionen bei Bewegungen und dient der Stabilisierung der unteren Extremität. Vereinfacht betrachtet ist das Sprunggelenk ein Scharniergelenk. Zwei
Hauptbewegungsrichtungen können vom Sprunggelenk durchgeführt werden: Bei der Dorsalflexion wird der Fußrücken nach oben gezogen. Diese Bewegung ist notwendig, damit der Fuß beim Kontakt mit dem
Boden zuerst mit der Ferse aufkommt und eine kontrollierte Abrollbewegung stattfinden kann. Bei der Plantarflexion wird die Fußsohle nach unten gedrückt und die Ferse nach oben gezogen. Diese
Bewegung ist notwendig, um Abdruck vom Boden zu bekommen und die Schwungphase beim Gehen einzuleiten. Während der Standphase ist das Sprunggelenk in seiner Neutralposition und hat hier die höchste
Stabilität.
Was passiert, wenn man mit dem Sprunggelenk umknickt?
Das hängt immer vom Umknicken ab. Der Kapselbandapparat kann gedehnt, angerissen oder komplett gerissen sein. Je nachdem ist man nach dem Umknicken häufig nicht in der Lage, zu gehen oder auch nur
Gewicht auf den verletzten Fuß zu bringen. Häufig fühlt sich das Sprunggelenk instabil an. Im Regelfall hat man zuerst starke Schmerzen, die jedoch nach der ersten Stunde deutlich
nachlassen.
Patienten machen oft die Erfahrung, dass eine Überdehnung der Kapselbandstrukturen oder eine angerissene Kapselbandstruktur deutlich mehr Schmerzen verursacht als ein Komplettabriss des Kapselbandapparates.
Es hört sich paradox an: Je stärker die Verletzung des Kapselbandapparates, desto weniger Schmerzen. Beim Komplettabriss sind nämlich auch Nerven geschädigt, so dass der Schmerz nicht weitergeleitet wird. Ganz allgemein lässt sich sagen: Ist ein Bluterguss vorhanden, ist immer Gewebe gerissen, sonst würde es nicht zu einem Bluterguss kommen.
Welche Strukturen sind am Sprunggelenk betroffen?
Besteht eine Schwellung oder ein Druckschmerz oberhalb des Sprunggelenkes, können die Bänder betroffen sein, die das Wadenbein und das Schienbein zusammenhalten. Man spricht hier von einer hohen
Knöchelverletzung, auch Syndesmosenverletzung genannt.
Wie wir durch Verletzungen von Fußballern wissen, gibt es hier unterschiedliche Verletzungsarten.
Es gibt eine hintere und eine vordere Syndesmose, die das Sprunggelenk stabilisieren. Patienten mit einer hohen Knöchelverletzung haben meist einen Riss oder einen Teilriss dieser vorderen oder
hinteren Syndesmose.
Was ist mit den Sehnen, die hinter dem Außenknöchel zum Fußaußenrand laufen? Diese Sehnen werden vom sogenannten Fußaußenrandhebermuskel versorgt und haben – wie der Name schon sagt – die Aufgabe, den Fußaußenrand aktiv nach oben zu halten. Diese Muskeln reagieren reflexartig. Droht ein Umknicktrauma, ziehen sie den Fußaußenrand nach oben und stabilisieren damit das Sprunggelenk. Kommt es zu einem Umknicktrauma, dann haben die Sehnen den Fußaußenrand nicht genügend stabilisiert. Je nach Schweregrad des Umknicktraumas können diese Sehnen geschädigt sein. Liegt eine Schwellung hinter dem Außenknöchel gepaart mit einem Druckschmerz vor, ist an eine Sehnenverletzung zu denken.
Kann auch der Knorpel in Mitleidenschaft gezogen werden?
Leider ja. Durch das Umknicken kann der Knorpel des Sprungbeines oder des Schienbeines bzw. Wadenbeines geschädigt sein. Bei Knorpel- oder Knorpelknochenverletzung berichten die Patienten über ein
hörbares Knirschen oder darüber, dass ihr Sprunggelenk klemmt.
Welche Diagnose-Möglichkeiten gibt es?
Neben der klinischen Untersuchung fertigt der Arzt Röntgenbilder an, um eine knöcherne Verletzung auszuschließen. Sollte der Verdacht auf eine Syndesmosenverletzung oder eine Knorpelverletzung
vorliegen, werden im Regelfall Kernspintomographien angefertigt, die das Ausmaß der Syndesmosenveränderungen oder Knorpelveränderungen darstellen können. Allerdings kommt es vor, dass
Kapselbandverletzungen im Kernspin teilweise nicht ausreichend erkannt werden. Das liegt daran, dass man im Kernspinbild eine Struktur erkennen kann, aber nicht in der Lage ist, die Funktion dieser
Struktur zu beurteilen.
Wie sieht nun die Behandlung aus?
Die Erstbehandlung des Umknicktraumas sollte nach dem RICE-Prinzip durchgeführt werden: Die Abkürzung steht für Rest (Ruhe), Ice (Eisbehandlung), Compression (Kompressionsverband) und Elevation
(Hochlagern). Patienten sollten gegebenenfalls Unterarmgehstützen verwunden, um das Bein vollständig zu entlasten. Durch die Eisbehandlung soll es zu einem deutlichen Rückgang der Schwellung kommen.
Eine elastische Binde hilft, das geschwollene Sprunggelenk zu komprimieren und die Schwellung zu reduzieren. Und die wichtigste Maßnahme nach dem Trauma ist ganz klar, das Bein sofort hochzulegen.
Dabei sollte es über Herzhöhe gebracht werden, damit der Blutrückfluss zum Herzen erleichtert wird.
Wann halten die Bänder wieder, was sie halten sollen?
Nach etwa sechs Wochen haben die Bänder ihre Reißfestigkeit zu 60 bis 70 Prozent wiedererlangt. Wird die entsprechende konservative Therapie kombiniert mit Physiotherapie kann in neun von zehn Fällen
ein Resultat ohne weitere Instabilität oder Schmerzen erreicht werden.
Dr. Tomas Buchhorn hat sich auf die konservative und die operative Versorgung von Erkrankungen und Verletzungen des Sprunggelenkes und Fußes spezialisiert. Zudem beschäftigt er sich intensiv mit der Behandlung von Sportverletzungen. Nach dem Abschluss an der Deutschen Sporthochschule in Köln zum Diplom-Sportwissenschaftler studierte er Medizin an der Universität zu Freiburg und promovierte an der Ruhr-Universität zu Bochum. Dr. Tomas Buchhorn betreut nationale und internationale Spitzensportler.
sporthopaedicum Regensburg
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